Verantwortung der Wissenschaft

Wissenschaftler übernehmen leider häufig zu wenig Verantwortung. Mit Galilei begann eine unheilvolle Entwicklung, als die Wissenschaft begann, das Objektive vom Subjektiven zu trennen und so die menschliche Erfahrung entwertete (1). Im 19. Jahrhundert verglich ein Wissenschaftler moralische Kategorien mit "Parasiten (...), die auf Kosten ihrer Nachbarn leben"(2). Die Verbindung insbesondere beim Militär zwischen den konservativen prinzipiellen Denkweisen und den fortschrittlichen Technologien ist gefährlich (3). Es läßt sich behaupten, daß Experten "eher eine nukleare als eine humane Intelligenz"(4) besitzen. Wenn Wissenschaftler sich der Realität entfremden, führen sie die Bezeichnung "Megatoter" ein, eine Million Tote, und beschreiben so die Effizienz ihrer Waffen.
Die Verantwortung wird an den Staat abgegeben, denn für einen solchen Wissenschaftler ist seine Arbeit zum Selbstzweck geworden. Die reine Anhäufung von Wissen aber ist in sich noch nichts positives, und so mag der Jubelschrei der Wissenschaft über eine neue Errungenschaft eines Tages "von einem universalen Entsetzensschrei beantwortet werden"(5). Global gesehen jedoch unterliegt die Forschung evolutionären Bedingungen, und so stellt sich garnicht die Frage, ob die Wissenschaft alles tun darf, was sie tun kann, sondern ob sich Fortschritt überhaupt verhindern läßt. Geschehnisse automatisieren sich, das atomare Wettrüsten der beiden Supermächte von Ost und West zur Zeit des Kalten Krieges ist dafür exemplarisch: wenn große Summen in Forschungsgebiete fließen, wird der verantwortlich handelnde Wissenschaftler ersetzbar. Pragmatisch gedacht ist eine durch ethische Bedenken tabuisierte Forschung also auch der falsche Weg, wenn dadurch nur die Kontrolle abgegeben wird.

1: Lewis Mumford, Der Mythos der Maschine, 1960er Jahre
2: Rober Monro in einer Eröffnungssprache vor der Britischen Gesellschaft für den wissenschaftlichen Fortschritt, 1893
3: Jürgen Scheffran, Physik & Rüstung, 1983
4: Hannes Alfvén, Naturwissenschaftler gegen Atomrüstung, 1983
5: Bertolt Brecht, Leben des Galilei